Interview: Alingnertherapie gehört in fachkundige Hände

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Interview: Alingnertherapie gehört in fachkundige Hände

V.l.n.r.: Dr. Jörg Schwarze (DGAO-Generalsekretär), Dr. Julia Haubrich (Tagungspräsidentin) und Prof. em. Dr. Rainer-Reginald Miethke (DGAO-Präsident) (Bild: Dental Tribune International)
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So. 11. Dezember 2016

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Der wissenschaftliche Kongress der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie (DGAO) findet alle zwei Jahre statt. Am 18. und 19. November trafen sich zahlreiche Experten für die kieferorthopädische Behandlung mit den durchsichtigen Kunststoffschienen zum vierten Mal in Köln. Auf dem Kongress sprach Dental Tribune Online mit den Kieferorthopäden Dr. Julia Haubrich (Tagungspräsidentin), Prof. em. Dr. Rainer-Reginald Miethke (DGAO-Präsident), Dr. Jörg Schwarze (DGAO-Generalsekretär).

Dental Tribune Online: Wenn Sie die letzten acht Jahre Revue passieren lassen, wie hat sich der wissenschaftliche Kongress für Aligner Orthodontie verändert?
Dr. Julia Haubrich: Der Kongress ist extrem gewachsen. Wir freuen uns wahnsinnig, weil wir es wieder geschafft haben, die Ergebnisse der letzten Jahre zu toppen. Mit rund 650 Teilnehmern aus 25 Ländern haben wir die höchste Teilnehmerzahl und das internationalste Publikum erreicht, das es jemals auf einem DGAO-Kongress gab.

Dr. Jörg Schwarze: Allgemein ist abzusehen, dass der DGAO-Kongress zukünftig größer als unsere Mutterveranstaltung, der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie, werden wird. Der Kongress ist aber nicht nur zahlenmäßig gewachsen – auch die Beiträge sind heute viel ernst zu nehmender als zu Beginn. In den ersten Jahren wurden vor allem Fallbeispiele gezeigt, jetzt werden hier immer mehr Untersuchungen und wissenschaftliche Studien präsentiert, die natürlich extrem wichtig sind.

Dr. Rainer-Reginald Miethke: Es ist zu sehen, dass immer mehr motivierte Praktiker mit Universitäten an Forschungsprojekten arbeiten. Die Universitäten, die oft nicht genug Patienten für wissenschaftliche Untersuchungen haben, profitieren von dieser positiven Entwicklung, die wiederum wichtige Ergebnisse für unseren gesamten Berufsstand liefert.

Des Weiteren hat die DGAO von Beginn an den DGAO-Wissenschaftspreis zur Förderung von noch nicht veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten und Forschungsprojekten auf dem Gebiet der Aligner-Orthodontie ausgelobt. Anfangs gab es nur sehr wenige Bewerber, wohingegen wir dieses Jahr neun Einreichungen verzeichnen konnten, die alle sehr gut waren. Wir planen, diesen Preis in Zukunft deutlich zu erhöhen, um noch mehr Kieferorthopäden dazu zu motivieren, auf diesem Gebiet zu forschen.

Sollte Ihrer Meinung nach die Alignertherapie zum Spektrum jedes zeitgemäßen Behandlers gehören?
Haubrich: Auf jeden Fall. Keine Alignertherapie anzubieten, kann man sich heutzutage eigentlich nicht mehr leisten. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wird auch die Behandlung mit Alignern immer präsenter und damit das Interesse immer größer. Anfangs hat sich nur eine kleine Gruppe mit dieser Behandlungsoption beschäftigt, aber inzwischen gibt es kaum Kollegen, die nicht mit Alignern arbeiten.

Schwarze: Man kann an dieser Entwicklung, die zu einem großen Teil durch die Patientennachfrage gesteuert wird, nicht vorbeischauen. Vor etwa zehn Jahren waren wir mit dieser Behandlungsmethode die Außenseiter. Selbst wenn heute die festsitzenden Apparaturen immer noch ihren Stellenwert haben und immer eine feste Mechanik in irgendeiner Weise verwendet werden wird, wird spätestens in weiteren zehn Jahren der Kieferorthopäde, der standardmäßig nur Brackets verwendet und keine Aligner anbietet, mit großer Sicherheit der Außenseiter sein. Als Standardmethode sehe ich festsitzende Apparaturen nicht mehr.

Während des Kongresses wurde betont, dass die Alignertherapie nur von Spezialisten durchgeführt werden sollte. Was ist Ihre Meinung dazu – auch angesichts neuer Software wie Invisalign Go, die vor allem Allgemeinzahnärzten die Behandlung mit Alignern ermöglicht?
Miethke: Ich kenne einige Zahnärzte, die bessere Kieferorthopäden als manche Fachzahnärzte für Kieferorthopädie sind. Meiner Meinung nach sollte man hier keine Grenze setzen, denn die natürliche Grenze sollte bei der ehrlichen Selbsteinschätzung jedes Behandlers liegen. Ich denke, man kann und sollte allgemeinen Zahnärzten nicht untersagen, mit Alignern zu arbeiten, wenn sie sich ernsthaft mit dieser Behandlungsmethode beschäftigen, die entsprechenden Kenntnisse haben und Aligner nicht nur als eine Erweiterung der Verdienstmöglichkeiten in ihrer Praxis betrachten.

Haubrich: Die Kieferorthopädie ist ein Fachgebiet, das sehr viel Hintergundwissen erfordert und schwierig zu begreifen ist, wenn man auch noch das gesamte zahnärztliche Wissensfeld abdecken will. Es ist eben nicht einfach damit getan, einen Abdruck zu machen und die Maschine übernimmt den Rest. Unser Kongress hat ebenfalls vermittelt, dass jeder Patient natürlich individuell ist und die Diagnostik für jeden einzelnen Patienten unterschiedlich erfolgen muss – das kann eine Software alleine nicht leisten. Es erfordert viel Erfahrung, zu erkennen, dass ein ClinCheck nicht hundertprozentig genau ist und welche Maßnahmen dann zu ergreifen sind.

Schwarze: Die DGAO plädiert dafür, dass die Kieferorthopädie in fachkundige Hände gehört. Der Schaden, der bei unsachgemäßer Anwendung von Brackets und Alignern angerichtet werden kann, ist beachtlich. Angesichts von Entwicklungen wie dem SmileDirectClub in Amerika, bei dem der Patient jeden Mediziner umgeht und sich seine Schienen selbst anfertigen lassen kann, ist es mir lieber, wenn Patienten einen Zahnarzt mit einem zahnärztlichen Gewissen aufsuchen. Es gehört zum ärztlichen Gewissen, richtig einzuschätzen, wie und womit man welche Fälle behandelt. Ein guter Zahnarzt lässt deshalb die Finger von der Kieferorthopädie. Heute sind Patienten zum Glück viel besser informiert – es ist für sie leicht herauszufinden, welche Methoden es gibt und ob es sinnvoll ist, zu einem Allgemeinzahnarzt zu gehen, um eine kieferorthopädische Behandlung zu bekommen.

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